chs. in Schrift & Wort
Auf dieser Seite findest du Auszüge aus meinen Arbeiten als Autor und Texter, damit du ein Gefühl für meinen Schreibstil entwickeln kannst.
3x3 Wörter: Kurzgeschichten
Ich liebe Kurzgeschichten!
Ich mag den direkten Einstieg, die Unmittelbarkeit und den großen Freiraum zur Interpretation. Es ist wie ein schneller Eintrag in einem Notizbuch. Ich muss nichts plotten, nichts erklären und der Leser (und ich natürlich auch) hat die absolute Freiheit sich die Zusammenhänge selbst auszudenken.
Vielleicht funktioniert diese Erzählweise deshalb so gut auf Social Media?
In den folgenden Ordnern findest du drei exemplarische Kurzgeschichten aus meinem Projekt „Drei Wörter“, dass ich auf Instagram begonnen habe.
Die Spielregeln sind einfach: Immer wenn ich eine Storie mit der Bitte um drei Wörter eröffne, schreiben mir Leute ihre Vorschläge auf. Aus diesen Wort-Trios verfasse ich Kurzgeschichten im Umfang einer Normseite, in der die Wörter in der genauen Reihenfolge der Einsendung verwendet werden müssen. Mittlerweile ist es beinahe eine Challenge für beide Seiten geworden:
Die Wörter werden immer abstruser und herausfordernder, gleichzeitig versuche ich oft die Wörter möglichst anders zu verwenden, als man es erwarten würde. Drum herum ist mittlerweile eine lustige Followerschaft gewachsen und zum aktuellen Stand existieren über 60 dieser verrückten Texte auf meinem Profil.
… aber lies selbst:
Das Tape dreht eine letzte stumme Runde bevor es abgespult ist. Während das Kinderlachen langsam verhallt, füllt Bandrauschen kurz den Raum, bis der Motor stoppt und es nach einem letzten Quietschen ganz still ist. Betreten schweigen wir uns an während ich nervös an einem Fader herumspiele. „Hätte ich jetzt nicht gedacht, dass du so der Typ für die Kinderdisko bist.“, Sage ich und boxe ihm kumpelhaft gegen die Schulter: „Bei dir hätte ich jetzt eher an klassischen Death-Metal oder Shoegaze gedacht.. oder vielleicht wenigstens Poppunk, aber hey!“ Sein Fell sträubt sich. „Nicht falsch verstehen, der Take war gut, richtig gut… nur der Kinderchor ist vielleicht ein bisschen viel.“ „Lassen wir weg?“, Fragt er und verzieht die Schnauze. „Lassen wir weg.“, Sage ich. Als der Werwolf einen Termin in meinem Studio gebucht hatte, rechnete ich mit allen, nur eben nicht damit. Bei diesen mythischen Wesen weiß man ja nie. Einmal hatte ich den Fuchs aus der Fabel da. Bei dem hätte ich schon eher mit einem Kinderlied gerechnet. Letztendlich produzierten wir ein German-Rap-Album mit Reggae-Beats. Irgendwas darüber das er mit Raupen, Baggern und Kränen die Stadt einreißt, um alles neu zu machen. Heute tritt er unter neuem Namen auf - Peter Fox. „Was?“, Fragt der Werwolf verwirrt. „Oh, hab ich eben laut gedacht?“, Frage ich zurück. „Naja, schon.“, Sagt der Wolf und reibt sich das Kinn. Eine Denkpause, in der wir beide erneut betreten schweigen: „Was hältst du von Surf-Rock?“ „Spitze.“, Sage ich. „Lass mich mal ein paar Telefonate machen, vielleicht kriege ich den Bassisten von den Beach Boys ran.“ Er nickt.
„Was soll das sein?“, Fragt der Inspektor. „Porzellanpapier.“, Antwortet Lise. Im Gesicht des Inspektors macht sich Unverständnis breit, also setzt sie schnell nach: „Porzellanpapier, der Herr. Gebrannt, glasiert, sofort einsatzbereit und erhältlich in praktischen DIN-Bögen, aber auf Wunsch auch als Sondermaß.“ Er scheint nicht zu verstehen. Die Behörde schickt nie Fachleute. Die Behörde will alles stets prüfen und reglementieren, aber nie versteht die Behörde, was sie prüft und reglementiert. Das ist einerseits gut, wenn man zum Beispiel Bodenraub begeht, weil man billig Kaolin beschaffen möchte, anderseits bekommt man schnell Kopfschmerzen, wenn die Inspektoren da sind. „Nun stellen sie sich vor, eines Sonntagmorgens beschließen Sie und die Dame…“ Der Inspektor fällt ihr ins Wort: „Eine Dame gibt es nicht.“ „Dann die Schwester.“ „Einzelkind.“ „Ihre Mutter.“ „Lange tot.“ Lise reibt sich die Stirn. „Ihr Hund, Herr Inspektor.“ „Mein Fido und ich?“, Fragt er freudestrahlend. Lise nickt, sie hat Kopfschmerzen. „Fido und sie sind also beim Picknick und da fällt ihren auf, dass sie die Kaffeetasse…“ Wieder eine Unterbrechung: „Fido mag keinen Kaffee.“ „Was mag er denn?“, Fragt Lise. „Postboten jagen und an fremde Zäune pinkeln, Fräulein Fabrikantin.“ Sie schüttelt den Kopf, nimmt ein Stück Porzellanpapier und faltet eine Tasse daraus. Dann präsentiert sie das Ergebnis mit einer dramatischen Handbewegung und verzieht das Gesicht. Der Inspektor wirkt nicht beeindruckt. „Wird schwer dafür eine Lizenz zu bekommen.“, sagt er trocken. Vielleicht hätte sie besser einen Hundenapf falten sollen.
Alles fliegt durch die Gegend, kreuz und quer. Plötzlich ist Oben unten, Links ist rechts und Hinten ist vorne. Ein großer Schlag, dann ist wieder Ruhe. Die kleine Palme aus Plastik die sonst das hawaiianische Mädchen mit der Ukulele schmückt, klatscht Udo voll ins Gesicht. Er nickt. Was soll er auch sonst tun? Udo ist der Wackel-Dackel, der seit siebenundzwanzig Jahren auf dem Armaturenbrett von Harrys gelben Scania mit doppelseitigem Klebeband befestigt ist. War. Ein Wunder, dass es so lang gehalten hat. In den Neunzigern war das Zeug einfach besser. Vielleicht ein bisschen giftiger, aber deutlich klebstärker. Udo ist viel rum gekommen, aber den Fußraum sieht er heute zum ersten Mal. Es ist kein Alpenpanorama und auch kein Vergleich zu dem Blick über die Ostsee, den er stets genießt, wenn der Lastwagen im Hafen beladen wird. Eine der wenigen Pausen, von seinen wichtigen Aufgaben: Copilot sein, im Takt zur Musik wippen und als Glücksbringer die Fahrt absichern. Harry pflegt vor jedem Start einmal auf seinen Kopf zu tippen. Er ist auf den Hund gekommen, pflegt er zu sagen. Und siebenundzwanzig Jahre hat er stehst seinen Dienst verrichtet. Nur heute hat Harry vergessen zu tippen. Er wird wohl auch nicht jünger. Prompt kommt der Transport von der Straße ab. Udo ist sich sicher, es liegt am fehlenden Tippen. Mit dem schlechten Wetter, dem Glatteis oder den Sommerreifen hat das sicher nichts zu tun. Ein Dackel irrt sich nicht. Udo nickt zufrieden. Harry beginnt sich wieder zu regen. Irgendwie ist auch er im Fußraum gelandet, obwohl er kaum hinein passt. Er tippt Udo auf den Kopf. Etwas spät.
Neben den Kurzgeschichten findest du auf Instagram übrigens vereinzelt auch Lyrik bzw. Gedichte… 😉
mehr Kurzgeschichten und Lyrik entdecken:
+++Ein kleiner Ausblick: Blog+++
Was ist das beste Aushangsschild für Websiten-Texte? Natürlich Websiten-Texte! 😉
Deshalb gibt es jetzt ganz neu meinen Blog „Frames Layers Pages“ in dem ich dich mit hinter die Kulissen meiner Arbeit nehme und ganz nebenbei das ein oder andere Thema über die Kreativarbeit beleuchte.
In Prag brennen Autos: Ein Roman
Arbeitstitel: In Prag brennen Autos
Genre: Roman
Umfang: ca. 300 Seiten
Jahr: seit 2024
Ein größeres Projekt, dass ich letztes Jahr begonnen habe ist ein Roman. Er ist komplett geplottet, gegliedert, seit August 2024 in Arbeit und trägt aktuell den Arbeitstitel: "In Prag brennen Autos"
Im nächsten Reiter findest du eine Leseprobe.
Sie ist exklusiv auf dieser Seite zu finden und nirgends sonst veöffentlicht! 😉
+++ Leseprobe +++
Die Nachtluft trägt Asche und Funken in den klaren Himmel. Hier draußen kann man noch Sterne sehen. Ein tiefer Atemzug, der nach verbranntem Gummi und Fichtenharz schmeckt. Dazwischen eine Note von Moos, Tannenzapfen und regennassem Waldboden. Warme Schatten tanzen und spenden Wärme in der viel zu kalten Sommerfrische. Er war kein guter Mensch, dafür hatte er zu viel Scheiße gebaut. So ehrlich war er mit sich selbst. Auch die Tatsache, dass die Umstände ihn dazu getrieben hatten, war nicht mildernd. Sie sind es nie. Es ändert nichts am Ergebnis. Trotzdem war es gerecht. Selbstjustiz hat immer noch einen süßen Nachgeschmack, wenn der Rauch verweht. Seit er es begriffen hatte, war er bemüht, das Richtige zu tun. Nicht alles, was er tat, erschien nach außen richtig. Eigentlich war das fast immer der Fall. Er zog die Grenze dessen, was in Ordnung ist, knapp unter dem, was er selbst tat – wie jeder es tut. Wann hatte er sich zuletzt so lebendig und am richtigen Ort gefühlt? Er spielte mit der Streichholzschachtel in seiner Tasche. Ja, hier musste er genau in diesem Moment sein. Das Richtige ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen und noch öfter nicht am Moment selbst abzulesen. Manchmal nicht mal in der Handlung. Nicht im Nachhinein. Manchmal muss man das gesamte Bild betrachten, um das zu erkennen. Manchmal erkennt man es gar nicht. In solchen Momenten ist das Richtige nur vage zu spüren.
„Brennt besser als erwartet, oder?“, wird er aus seinen Gedanken gerissen.
„Ja“, antwortet er. „Benzin und Kunststoff.“
„Dachte nicht, dass wir das wirklich durchziehen“, sagt der Junge mit dem Hoodie. Seine Kapuze ist tief ins Gesicht gezogen, nur kurz von der Glut erleuchtet, während er nervös eine Zigarette entzündet.
„Das ist das Gefährliche daran“, sagt er, während er dem Jungen die Kippe aus dem Mund nimmt und selbst daran zieht. „Die Leute glauben mir halt nicht, dass ich wirklich mache, was ich sage.“ Er stößt den Rauch aus und sieht zu, wie er aufsteigt und sich mit dem Dunst des Feuers vermischt. „Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die Wahrheit. Komischerweise glaubt die niemand.“
Im Dunkel betrachten ihn verwirrte Augen.
„Max Frisch, Biedermann und die Brandstifter“, sagt er und zieht noch einmal, bevor er die Zigarette zurückgibt.
„Alter, manchmal, ne?“
„Würde dir auch nicht schaden.“
„Klugscheißen?“
„Lesen.“
„Jetzt komm, in ein paar Stunden ist es hell. Dann sollten wir nicht hier sein.“
So wie sie gekommen waren, konnten sie nicht zurück. Er wirft die Zigarette auf den Boden und deutet in Richtung der Böschung, wo der Wald am Rand der Grube dichter wird. „Da durch?“ Er nickt. Den Ausdruck des Jungen kann er sich vorstellen, aber es hilft nichts. Die Gefahr, gesehen zu werden, ist zu groß. Quer durch den Wald gibt es keine Zeugen. Sie schlagen sich durch das Gestrüpp, dann lichtet sich das Unterholz, und sie laufen im Lichtkegel der Taschenlampe über Wurzeln im weichen Boden. Sie sind einige Zeit unterwegs, bis der Junge die Stille durchbricht:
„Und du kennst den Weg?“
„Ja.“
„Und der Ort?“
„Hab hier früher als Kind gespielt“, sagt er.
„Taschenlampe aus, da vorne hört der Wald auf.“
Ein Moment der Nostalgie in einem Kopf, der zu jung für alte Zeiten ist. Im Mondlicht kann er die Findlinge erkennen, die ihm als Kind oft eine Festung gewesen waren. Manchmal auch ein Schiff auf dem Meer, dann wieder eine Insel, an vielen Tagen einfach nur ein Zuhause. Dazwischen die Spalte im Boden. Erdwespen. Einmal war er hineingetreten. Verfolgt von einem Schwarm war er gerannt, bis ihm die Lungen brannten. Der Waldrand war gleich dort vorne. Dahinter das Haus seiner Großmutter. Die Stiche hatte sie mit halben Zwiebeln aus dem Garten bedeckt. Ein Hausmittel. Die Wirksamkeit war fraglich, aber seiner Großmutter widersprach man nicht. Er hatte tagelang danach gerochen. Hätte man ihn nicht gemieden, hätte man damit angefangen. Bestimmt würde der Junge gleich fragen. Er hatte hier gelebt. Zu diesem Ort gab es einen Bezug. Eine tückische Verknüpfung. Die Beamten würden wissen, dass es die größere Dummheit war, zurückzukehren. Oder zumindest würden sie es wissen, sobald sie die Akten prüften. Sie würden zu dem Schluss kommen, dass er es nicht gewesen war. Niemand würde freiwillig das Risiko eingehen. Oder vielleicht doch? Würde er auf dem Radar landen, so würde er einfach wie immer die Wahrheit erzählen und sich stolz zeigen. Die Wahrheit glaubt tatsächlich niemand, und er würde wie immer als Aufschneider durchgehen, der krampfhaft nach Achtung buhlt. Die Wahrheit klingt meist erfunden. Max Frisch, du genialer Irrer, wie oft hast du ihm schon die Haut gerettet? Er würde sogar die echte Streichholzschachtel auf den Tisch legen. Alle Zweifel an seiner Unschuld wären ausgeräumt. Er spielt kurz mit dem Gedanken, ein wenig mehr zu erzählen. Der Gedanke geht schnell vorbei. Andere sollen nur wissen, was sie wissen müssen. Damit fährt man sicherer. Unwissenheit schützt nicht vor Strafe, aber sicherlich davor, Dinge unbedacht auszuplaudern. So hat er es gelernt. Innerlich war er immer noch einer von ihnen. Er zählt die Sekunden, bis der Junge die Stille nicht mehr erträgt. So war es immer beim ersten Mal.
„Eigentlich weiß ich gar nichts über dich“, flüstert es in der Finsternis.
„Du weißt, dass ich da bin, oder?“
„Ja.“
„Dann weißt du genug.“
Eine Hand greift seine Schulter. Aus der Berührung wird eine Umarmung. Sie stehen in der Schwärze des Forstes und halten sich. Der Wald ist friedlich, vielleicht das, was der Junge jetzt braucht. Er hat viel hinter sich. Vielleicht hätte er ihn nicht mitnehmen sollen. Andererseits war es gut, dass er es gesehen hat. Jetzt wusste er es. Wissen ist besser als glauben. Wissen kann einem nicht genommen werden. Stumme Tränen dringen durch den Stoff seines Oberteils. Der Junge kämpft mit sich, zuckt, als er sich gegen sein Inneres wehren will, atmet schwer und drückt das Gesicht in seine Brust. Er hält ihn fester, legt ihm die Hand auf den Hinterkopf, sagt, dass es okay ist. Sagt alles, was er selbst nie gehört hat. Was er selbst immer hätte hören müssen. Hören wollen. Natürlich ist es richtig. Er weiß, wie es ist, wenn sich niemand interessiert. Wenn niemand da ist, der sich kümmert. Er würde den Jungen länger halten, wenn es die Zeit zulassen würde. Ihm fällt auf, dass es seltsam ist, ihn als Jungen zu betrachten. Er war kaum ein Jahr jünger als er selbst. Und doch war er in den letzten Jahren so viel mehr gealtert. Dann lässt er ihn los. Sie müssen den Wald verlassen, bevor die Sonne aufgeht. Der Mann, der sich selbst seinen Vater nannte, hätte ihn dafür tot geprügelt. Vermutlich nicht für die Brandstiftung, aber für alles andere.
Die Augen des Alten starren wissend. So wie sie es immer taten, wenn er versuchte, Janko zu ergründen, fixierten sie die seinen. Grün gegen Blau, ein wenig wie Meer und Gischt. Welle um Welle prallen die stillen Fragen und stummen Vermutungen auf ihn ein, brechen an der harten Fassade. Sie waren noch die ganze Nacht unterwegs gewesen, hatten verwirrende Umwege nach Žižkov gemacht, um ihre Spuren zu verwischen, und waren dann durch das Fenster in die Wohnung in der Husitská-Straße zurückgekehrt.
Nun sitzen sie am Frühstückstisch. Dampf steigt auf, als Milans Mutter Tee einschenkt und für einen Moment das Gefecht unterbricht. Die schneidenden Blicke spürt Janko dennoch. Kaffee wäre ihm lieber, oder besser noch etwas Stärkeres.
„Was habt ihr beiden gemacht?“
„Geschlafen?“
„Gut, dann erzähl mir nochmal die Geschichte von gestern.“
Janko hasste es, wenn er das tat. Immer wieder ließ er ihn dieselben Geschichten wiederholen. Immer auf der Suche nach einer Unstimmigkeit, einer Abweichung. Dass er ihm nach allem immer noch nicht vertraute, war kränkend. Bis eben hatte Janko ihn noch nie belogen.